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Pane e Coperto

von Reiner

"Wo können wir denn dieses Mal Urlaub machen?". Diese Frage stellten wir uns letztmalig im Jahre 1989. Ans Meer, in die Berge aber mit dem Auto erreichbar und nicht allzu weit weg sollte es sein. Meer, Berge und warm sollte es Ende September auch noch etwas sein. Wo findet man das?
Als das ein Wohnmobil fahrender Arbeitskollege hörte, fragte er, ob wir schon einmal auf Elba gewesen seien.

Elba – wo ist Elba? Stimmt, da war mal was mit Napoleon und Elba. Also, Atlas raus und Elba suchen.

Zu unserer Überraschung stellten wir fest, das Elba gar nicht soo weit entfernt ist und es sich um eine toskanische Insel handelt. Dass die Toskana auch Inseln hat war uns bislang nicht bekannt, und das es Montecristo nicht nur im Film gibt, erfuhren wir dabei auch noch.
Also, Elba sollte es sein! Dort gibt es Berge, sogar an die tausend Meter hoch, Meer ringsherum, was zugegeben bei Inseln meist der Fall ist, vielleicht gutes Wetter und zirka tausend Kilometer von Frankfurt entfernt.

Nun fuhren wir, wie bisher üblich, einfach los, ohne großartig zu buchen oder vorzubestellen. Das einzige, was wir an Vorbereitung trafen, war der Kauf der Autobahnvignette für die Schweiz und das Einpacken nicht allzu leichter Kleidung, denn es war ja bald schon Oktober.
Schon die Anreise war derart mit positiven Eindrücken versehen über die sich allein viel schreiben ließe. Unbeständig kühles Wetter in Deutschland und am Sankt Gotthard, neben der Autobahn schon eine leichte Schneedecke.
Auf der bisherigen Strecke schon einigermaßen tunnelerprobt, erwartete uns die Herausforderung den Gotthardtunnel zu durchfahren. Ausgerechnet  zwei Wochen zuvor hatten wir einen Filmbericht über das sonderbare Tunnelsyndrom gesehen, welches einige Mitmenschen zu unverständlichem Handeln im Tunnel veranlasst haben sollte. Mit leichtem Kribbeln im Bauch fuhren wir hinein. Ist ja wirklich lang. Nach knapp 15 Minuten Fahrt erreichten wir dann den Tunnelausgang.

Es erwartete uns ein strahlend blauer Himmel, so wie er nur in den Bergen zu sehen sein kann. Bei Airolo veranlasste uns dann die unerwartete Wärme zu einem Stopp, um ernsthaft darüber nachzudenken, ob wir nicht doch hätten mehr leichtere Kleidung mitnehmen sollen. Die erste jedenfalls streiften wir uns jetzt über.

Die Weiterfahrt paarte sich mit Hochgefühl und einem genießerischen Staunen.
Chiasso, Milano, Genova. Bis dahin glaubten wir, dass es auf Autobahnen keine echten Kurven gäbe. Jede Kurve hier war eine Herausforderung, wie auch das stete Erlebnis, Tunnel rein Tunnel raus.

 Schließlich erreichten wir am frühen Abend Piombino. Die blauen Farben des Himmels und des Meeres standen in herrlichem Kontrast zu den strahlend weißen Fährschiffen. Die Überfahrt gegen die schon tiefer stehende Sonne ließ uns die Silhouette der Insel Elba genießen, ohne genau zu wissen, dass es sich dabei schon um Elba handeln sollte.

Spätestens jetzt wussten wir, dass es tatsächlich Postkartenfarben in der Realität gibt.

Die Übernachtungsstätte hatten wir per Prospekt schon am Hafen ermittelt. Sant’Andrea hieß das Ziel.
Die Oberarme waren sehr geneigt Muskelmasse aufzubauen, Kurve an Kurve kilometerlang, war völlig ungewohnt für die beiden aber die  Eindrücke der permanent wechselnden phantastischen Panoramen entschädigten für alles.

Der Sonnenaufgang am nächsten Morgen, Landschaft und die Freundlichkeit der Menschen, kurzum alles führte zu der sich festigenden Erkenntnis, das Reiseziel der Zukunft gefunden zu haben, nämlich Elba, die größte Insel des toskanischen Archipels.

Ein Problem tat sich dennoch auf. Obwohl man sich stets bemühte unsere Sprache zu verstehen, stießen wir mit unserem Speisekarten-Italienisch, sechs Semester bei heimischen Pizzabäckern und Eisdielen, häufig auf Verständigungsprobleme. Das führte auch gelegentlich zu eigenartigen Episoden.

Tagsüber besuchten wir als anständige Menschen natürlich keine Bar, um eines Abends festzustellen, dass der Begriff Bar in Italien offensichtlich etwas anderes beschreibt als zu Hause.
Diese anfängliche Fehlinterpretation führte dann auch dazu, erkennen zu müssen, dass ein Ristorante ein ungeeigneter Platz ist, um nur gemütlich einen Cappuccino zu trinken. Wie dem auch sei, essen wollten wir ja auch etwas, wo denn sonst, wenn nicht hier?

Mit dem Bringen der Speisekarte wurde der Tisch mit neuer Tischdecke versehen, Besteck, Servietten, Pfeffer, Salz, Öl und Essig sowie ein gefüllter Brotkorb dazugestellt. Ein bisschen aufwendig, dachten wir, aber stilvoll.
Nach einigem Hin und Her schien der Ober, wenn auch nicht gerade begeistert, begriffen zu haben, dass wir lediglich die Vorspeise zur Hauptspeise umfunktionieren wollten, nämlich jeweils eine Portion Spaghetti carbonara.
Zu trinken? Vino bianco und Mineralwasser. Mittags schon Wein? Leicht an die Nebentische blickend stellten wir fest, dass das normal zu sein scheint; außerdem - wir haben ja Urlaub.
Als die Spaghetti gebracht wurden mussten wir feststellen, dass diese letztendlich den Tisch zur Tafel werden ließen.

Nachdem wir sehr gemütlich gespeist hatten, Wasser und vor allem den Liter Wein, der durchaus seine Wirkung entfaltete, getrunken hatten, wollten wir bezahlen.
Es war ja soweit alles in Ordnung, aber was bedeutete auf dem Beleg "Pane e Coperto" ? und das , schnell umgerechnet, für fast zehn Mark! Gestikulierender Weise nachfragend verstanden wir, dass es sich wohl um die Tischdecke, das Besteck, Essig, Öl und den Brotkorb, den wir im übrigen gar nicht angerührt hatten, handeln musste.
Der Genuss des Weines führte wohl auch dazu, dass wir die Meinung vertraten, nur das bezahlen zu wollen, was wir auch bestellt hatten. Da wir aber mit unseren fehlenden Sprachkenntnissen nicht weiterkamen, bezahlten wir die Rechnung, mit der inneren Überzeugung doch übers Ohr gehauen worden zu sein.

Dieses Vorkommnis verschwand allerdings aufgrund des wunderbaren Urlaubs auf Elba sehr schnell aus der Erinnerung.

Da wir sicher waren, unser künftiges Urlaubsziel gefunden zu haben, war uns klar, sofort nach Heimkehr die Sprache erlernen zu wollen.
In der ersten Stunde des Sprachunterrichts sollte jeder Teilnehmer ein italienisches Erlebnis zum besten geben. Da fiel uns Pane e Coperto ein. Leicht amüsiert wurden wir von der Richtigkeit und Üblichkeit dieser Forderung überzeugt.

Selbstredend bezahlten wir seitdem auch für Pane e Coperto und nutzten es aber auch. Ohnehin hat sich das Erlernen der Sprache als äußerst vorteilhaft für alle folgenden Urlaube dargestellt, und nebenbei bemerkt, bei den Sprachversuchen sehr viel Hilfen von den close_greyEinheimischen erhält.